Wir haben eine neue Grabungsfläche geöffnet – Grabungstagebuch Juli 2024

Die neue Grabungsfläche aus der Luft, die Bildoberseite zeigt nach Norden. (Foto: Philipp Baumgarten)

Fünf Tage hintereinander Baggerarbeiten! Das gab es in Posa noch nie. Wir haben es durchgezogen. Am Montag begannen wir damit, den alten Schnitt zu verfüllen. Zuvor mussten noch die Skelette geborgen werden, was aufgrund des starken Regens der letzten Tage nicht einfach war. Viele Knochen lagen unter Wasser oder im Schlamm.

Der Plan für die neue Grabungsfläche war hauptsächlich auf dem Papier entstanden und sehr ambitioniert. Unser wichtigstes Ziel ist es, den weiteren Verlauf der älteren Baustrukturen, insbesondere des Turmes, aufzudecken. Es wäre für die Rekonstruktion des Bauwerks sehr wichtig, weitere Mauerreste zu finden. Die geplante Fläche sollte daher die gesamte Südwestecke der Klausur des Klosters umfassen. Wir wussten bereits, dass hier spätestens seit dem 13. Jahrhundert eine massive Unterkellerung stattgefunden hatte, die für die Erhaltung der älteren Baustrukturen ungünstig war. Außerdem fällt das natürliche Geländeniveau rapide nach Südwesten ab, sodass die abzutragenden Schuttschichten immer mächtiger werden.

Unser größtes Problem war jedoch: wohin mit dem Abraum? Bereits am Dienstag hatte sich auf der alten Fläche ein riesiger Abraumhaufen gebildet. Die Kapazitäten waren fast erschöpft, und von der neuen Fläche war noch kaum etwas zu sehen.

Bald zeigte sich ein weiteres Problem: je tiefer wir in den Boden vordringen wollten, desto mehr Fläche musste an den Rändern aus Arbeitsschutzgründen als Abtreppung stehen bleiben. Aus einer am Schreibtisch geplanten großen Grabungsfläche wurde in der Realität von Posa ein kleines Loch.

Nachdem wir auch noch einen großen Haufen Sandsteine, der uns schon seit Jahren begleitet, zum dritten Mal umgelagert hatten, wurde klar, dass der zur Verfügung stehende Raum für den Abraum der geplanten Fläche nicht ausreicht. Schweren Herzens mussten wir unsere Pläne stark einschränken.

Bevor wir dies umsetzten und begannen, Teile der bereits geöffneten Fläche wieder mit Abraum zu verfüllen, führten wir an einer Stelle eine Sondierung durch. Dabei erhielten wir Einblick in Befunde, die wir wohl nun leider niemals ausgraben werden können. Eine Mauer, die schräg nach Südwesten verläuft, befand sich in drei Metern Tiefe. Wahrscheinlich handelte es sich um die Begrenzungsmauer des Klostergeländes nach Süden. Sicher ist das jedoch nicht. Besonders spannend wäre es gewesen, da hinter dieser Mauer möglicherweise die gesamten Abfälle des Klosters und vielleicht sogar der Bischofspfalz entsorgt wurden. Wir sahen Berge von Keramikscherben und viele Tierknochen; der sondierte Bereich befand sich unmittelbar hinter der Klosterküche. Was man hier alles über das Klosterleben hätte erfahren können…

Die im Südflügel der Klausur vorhandenen Keller waren aufgrund des Geländeabfalls möglicherweise von Süden her fast ebenerdig zugänglich. Dies zeigte sich unter anderem daran, dass die am Hang gelegenen Kellermauern viel tiefer ausgebrochen waren als die Mauern zum Hof hin. Auch hier ist die Überdeckung mit Schutt leider so mächtig, dass wir ohne massive Ausweitung der Grabungsfläche und ohne Abtransport des Abraums keinen dieser Räume jemals richtig ausgraben können. Wie interessant und erkenntnisreich das wäre, zeigt ein Blick in die Klosterküche, von der ein kleiner Ausschnitt die südliche Grenze unserer nun wieder eher bescheidenen Grabungsfläche bildet. Hier deutet sich eine Rinne an, durch die das Wasser durch die Küche geflossen ist. Man sieht auch noch den Bogensatz des Gewölbes über dem riesigen Herd. Unter dem jüngeren Fußboden der Klosterküche gibt es eine massive Auffüllung mit sehr viel Keramik. Auch dieser Bereich wird nicht untersucht werden können.

Wir konnten jedoch die südwestliche Ecke des Kreuzhofes in die neue Untersuchungsfläche einbeziehen und waren überrascht, wie gut erhalten die Grundmauern der Fassade des Kreuzgangsüdflügels noch sind. Ihre Oberkante liegt teilweise nur 30 cm unter der heutigen Oberfläche! Auch hier haben wir wieder eine schöne Architektur mit Strebepfeilern aus sorgfältig bearbeiteten Sandsteinblöcken vorgefunden. Es ist erstaunlich und unser Glück, dass diese 1657 niemand mitgenommen hat. Auch den Rest des Kreuzgangsüdflügels haben wir jetzt oberflächlich freigelegt. Er bricht nach Westen abrupt und tief ab, auch hier waren Keller vorhanden, deren Steine beim Abriss ausgebrochen wurden. Alles ist mit Bauschutt aufgefüllt. Unter diesem Schutt liegt vielleicht eine Ecke unseres Turmes!

Im Schutt fanden sich viele Gewölberippen – eine ganze Dumperladung voll! Alle sind nach dem gleichen Muster gearbeitet und gehörten zur Einwölbung des Kreuzgangs. Etwas Abwechslung brachte der Fund eines relativ kleinen Steinbruchstücks mit zwei erhabenen Buchstaben: „Ab…“. Anhand der Schrift dürfte der Stein aus dem letzten Viertel des 15. Jahrhunderts stammen. Auf den ersten Blick könnte es wie ein Stück einer Grabplatte wirken, doch die Inschrift befindet sich an einer der Schmalseiten. Sehr ungewöhnlich und sicher keine Grabplatte, zumal die Oberseite völlig unverziert ist. Vielleicht handelt es sich um die Ecke einer Altarplatte, deren Vorderseite mit einer Inschrift versehen war, die den Stifter dieses Altars nennt. Sehr untypisch und dann auch noch in einer auffälligen Schriftgröße und Gestaltung. Vielleicht lässt sich in den Archivalien noch eine namentlich belegte Altarstiftung finden, die unserem Fundstück zugeordnet werden kann.

Nach fünf Tagen Baggerarbeiten haben wir nun eine viel kleinere Fläche als geplant. Drumherum türmen sich Berge von Abraum, so hoch, dass man von oben über die Dächer von Posa blicken kann. Ab Mitte August wird in unserer neuen Untersuchungsfläche dann die Lehrgrabung mit den Studentinnen und Studenten der Universität Halle stattfinden. Vielleicht können wir hier weitere Fragen zum Turm klären. Ganz sicher werden jedoch viele neue Fragen aufgeworfen. Ich bin gespannt auf den weiteren Verlauf der Mauern, die wir bereits aus den angrenzenden Flächen kennen. Man ist hier vor Überraschungen nie sicher!

Blick auf die Ecke wo sich Südflügel (rechts oben im Bild) und Westflügel (unten) des Kreuzgangs treffen.
(Foto: Philipp Baumgarten)
Reste eines Strebepfeilersockels vom südlichen Kreuzgang. (Foto: Philipp Baumgarten)
Grab- oder Altarplatte? Ein Bruchstück mit den Buchstaben „Ab“. (Foto: Philipp Baumgarten)