Nach dem erfolgreichen Abschluss der Untersuchungen am Kapitelsaal gab es tatsächlich etwas völlig Neues: zwei Wochen lang nichts zu graben! Endlich einmal Zeit, etwas Ordnung in die doch recht große Menge an Funden zu bringen. Nach wie vor ist der Fundanfall in Posa zwar eher gering, trotzdem kommt einiges zusammen. Die geringen Fundmengen sind vor allem darauf zurückzuführen, dass Funde – meist Keramikscherben und Tierknochen – hauptsächlich in stärker wirtschaftlich genutzten Arealen anfallen. Bei der Nutzung unserer gegenwärtigen Untersuchungsbereiche erst durch den Bischof und dann durch die Mönche ist wenig liegen geblieben. Ich denke, dass zumindest die Mönche ab dem 12. Jahrhundert ihre Abfälle zu großen Teilen über den Hang nach Süden entsorgt haben. So werden sich am südlichen Ende des Ostflügels der Klausur auch die Latrinen für die Klosterbrüder befunden haben. Ganz klar, dass wir das noch irgendwann nachweisen wollen …
Also, trotz geringem Fundaufkommen machen die Funde nicht nur Freude, sondern auch jede Menge Arbeit. Zuerst muss alles gewaschen werden. Jede einzelne Scherbe und jeder Knochen. Dabei ist die Bürste ein unerlässliches Werkzeug. Der lehmige Boden sitzt meist tief und hartnäckig in den Verzierungen und den Bruchkanten der Scherben. Nach dem Waschen wird alles getrocknet, sortiert, gezählt und verpackt. Ganz wichtig ist, dass bei allen Arbeitsschritten die Information über den Fundzusammenhang nicht verloren geht. Denn wenn man später nicht weiß, wo und in welcher Tiefe dieses und jenes Fundstück lagerte, ist es für die weitere Forschung praktisch verloren.
Der größte Wert der meist unspektakulären Fundobjekte liegt darin, dass sie unser wichtigstes Hilfsmittel sind, um bestimmte Vorgänge genauer zu datieren. So liefern ein paar unspektakuläre graue Scherben in Posa den Beweis dafür, dass unser Turm in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts aufgegeben wurde. Und andere ebenso unscheinbare Keramikscherben datieren ziemlich genau einen Brand an das Ende des 11. Jahrhunderts. So sind es oft nicht die spektakulären Objekte, die uns wirklich weiterbringen, sondern Überbleibsel des schnöden Alltags.
Ein schöner Fund – und damit sind wir bei unseren Aktivitäten in der Woche vor Pfingsten – ist trotz des nicht mehr wirklich rekonstruierbaren archäologischen Zusammenhangs hier erwähnenswert. Beim Abtragen einer viel jüngeren Störung hat Udo das Bruchstück eines Pferdekopfes aus Ton zu Tage gefördert. Das Pferdemaul war als Tülle gestaltet. Es handelt sich um eine ziemlich seltene Gefäßform, um ein sogenanntes Aquamanile. Diese Gefäße, meist in Tierform, dienten der zeremoniellen Handwaschung vor liturgischen Handlungen oder dem gemeinsamen Essen. Am beliebtesten waren wohl pferdegestaltige Aquamanilen, auch Gefäße in Form von Löwen, Reitern oder Fabelwesen kommen vor. Das Stück aus Posa können wir ziemlich genau in das 13. Jahrhundert datieren.
Gefunden haben wir das gute Stück beim Anlegen einer neuen Grabungsfläche. Der neu geöffnete Untersuchungsbereich schließt unmittelbar an die nun schon wieder verfüllte Fläche des Kapitelsaals an und umfasst einen Ausschnitt des Kreuzgangs und des davor liegenden Kreuzhofes. Durch die Unterstützung der Stadt Zeitz war es möglich, vor dem Öffnen der neuen Fläche etwas Ordnung in unsere großen Abraumberge zu bringen. Die alte Grabungsfläche konnte verfüllt werden und unser Grabungsgelände haben wir schön begradigt.
Mit dem Bagger mussten wir uns wieder etwa 1,50 m in die Tiefe graben, bevor überhaupt klosterzeitliche Strukturen auftauchten. Wir kennen das schon, nach dem Abriss der Klausur im 17. Jahrhundert wurde der gesamte unbrauchbare Schutt einfach liegen gelassen und bildet heute noch einen deutlich sichtbaren Hügel. Diesen Schutt gilt es mit dem Bagger jedes Mal vorsichtig und zugleich gründlich abzutragen, zum einen, um die archäologischen Strukturen nicht zu zerstören, zum anderen auch deshalb gründlich, um nicht mehr allzu viel von Hand wegschaufeln zu müssen. Die Einweisung des Baggerfahrers erfordert dabei jedes Mal starke Nerven und volle Konzentration. Ich bin immer sehr froh, wenn diese grobe Arbeit endlich geschafft und der Bagger mit seiner breiten Schaufel nicht an einer wichtigen Mauer „hängengeblieben“ ist.
In unserer neuen Grabungsfläche sieht man jetzt sehr schön die Außenwand des Kreuzgangs. Hier hat sich sogar romanisches Quadermauerwerk erhalten. In einer solch hervorragenden Qualität konnten wir Mauerwerk in Posa bisher noch nirgends finden. Das liegt auch daran, dass die Quader später als Abbruchmaterial sehr begehrt waren. Das Fundament der Kreuzgangfassade ist noch auf der ganzen Länge gut erhalten. In gotischer Zeit hat man die Wand zusätzlich durch vorgestellte mächtige Strebepfeiler verstärkt. Vielleicht hängt das mit einer Aufstockung des Kreuzgangs zusammen? Zweigeschossige Kreuzgänge, vor allem im Ostflügel, gibt es immer wieder und wie hoch der in Posa war, erzählt uns der überlieferte Plan leider nicht.
Im Boden des Kreuzgangs zeichnen sich jetzt schon eine ganze Menge an Grabgruben ab. Ich rechne damit, dass wir hier mindestens zehn Bestattungen freilegen und untersuchen können. Mal sehen, ob wir herausfinden, wer die begehrten Plätze direkt vor dem Zugang in den Kapitelsaal bekommen hat …
Im Kreuzhof zeigt sich jetzt schon die Mauer, die Teil des Verbindungsbaus zwischen Kirche und Bischofspalast war. Tatsächlich haben wir sie genau in jener Lage angetroffen, die wir vermuteten. Der Boden im Kreuzhof ist steinhart, vor allem durch die mittelalterlichen Planierungen. Hier müssen wir um jeden Stein unserer Mauer ringen, um schließlich bald den gesamten Fundamentverlauf sichtbar zu machen.
In den nächsten Wochen werden wir nun alles freikratzen und sauber machen. Dabei wird die Präparation der Skelette sicher die meiste Zeit in Anspruch nehmen. Sobald alles freigelegt ist, kann es dokumentiert werden. Und dann liegt irgendwann einer neuen Untersuchungsfläche nur noch ein Haufen Erde im Wege. Und so war es bisher immer: nach dem Baggern ist vor dem Baggern!
Bild 1: Im Schutt zeigt sich ein mit einer Kantensäule verzierter Stein. Wahrscheinlich stammt er von der Laibung einer der Kreuzgangarkaden. Foto: Holger Rode.
Bild 2: Ein weiteres Bruchstück unseres Ziegelfrieses aus dem Abrissschutt des Kreuzgangs. Foto: Holger Rode.
Bild 3: Die neue Grabungsfläche mit Blick nach Norden unmittelbar nach dem Ende der Baggerarbeiten. Foto: Philipp Baumgarten.